Dominanz und Respekt

von | März 1, 2024

Dominanz

Es ist traurig, dass man immer noch über dieses Thema schreiben und sprechen muss. Doch leider ist in so vielen Köpfen immer noch die Mär vom „dominanten“ Pferd. ❗️

Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass eine artübergreifende Rangordnung (Dominanzgefüge) zwischen Mensch und Pferd nicht existiert. Das Verhalten eines Pferdes, auch gegenüber dem Menschen, ist vielmehr von den Konsequenzen seines Handelns abhängig und nicht von einem sozialen Status.
Selbst in einer natürlichen Herde gibt es keine festgelegte Hierarchie. Das soziale Gefüge ist abhängig von der jeweiligen Situation und vielen weiteren Faktoren. In der freien Wildbahn sind Pferde untereinander sehr harmonisch und friedliebend. Der z.T. beobachtete grobe Umgang unter unseren Hauspferden, liegt daran, dass diese Herden vom Mensch zusammengestellt sind und es häufig zu Ressourcenmangel (zu wenig Futterplätze, Wasserplätze, Beschäftigung und auch einfach Platz) kommt. Dies ist kein representatives Bild von natürlichem Verhalten.

Ein scheinbar „dominantes“ Pferd wird dann als Grund benutzt, selbst dominanter zu sein. Doch was meint der Stempel „dominant“? Ein „dominant“ wirkendes Pferd bezeichnet letztlich ein Pferd, was sich nicht wie gewünscht verhält. Eine rein menschliche Kategorisierung. Für ein Pferd ist (bedürfnisorientiertes) Verhalten immer richtig.

Dominanz ist also nur ein Etikett, dass die menschliche Interpretation widerspiegelt. Zum Beispiel: Pferd reagiert nicht schnell genug auf Signale, Pferd „hinterfragt“ Dinge, Pferd erschreckt sich immer wieder, Pferd hält keinen Abstand zum Menschen, etc.

Dominanz ist leider eine Legitimation, (aversiven, eskalierenden) Druck anzuwenden und letztlich seine eigene Forderung um jeden Preis durchzusetzen. „Weil man das so machen muss“ Doch möchten wir nicht alle harmonisch und ohne (aversiven) Druck arbeiten können? Und macht es die Dominanztheorie nicht schwieriger? Ist diese Annahme nicht häufig der Grund, auf aversiven Druck im Training zurückzugreifen?

Würde es uns und unserem Pferd nicht besser gehen, wenn wir die gleichen Ergebnisse ohne aversiven Druck erreichen könnten?

Es geht schon, man muss es aber wollen … 😉

Respekt

Um das Kind nicht beim Namen nennen zu müssen, wird in der Pferdewelt sehr häufig von „Respekt“ gesprochen. Das Pferd muss Respekt vor dem Menschen haben, den Raum des Menschen respektieren etc. pp.

Meist wird „Respekt“ als Entschuldigung oder Begründung für aversive Methoden bis hin zu Gewalt herangezogen. Und erst ein Weichen des Pferdes oder gar ein Pferd, was halb scheintot ist, wird als respektvoll bezeichnet.

Doch können Pferde überhaupt „respektvoll“ sein?!
Ich denke nein. Denn Respekt ist ein abstraktes Konzept des Menschen.
Laut Definition ist Respekt „auf Anerkennung, Bewunderung beruhende Achtung“. Uff. Und vielleicht würdest du Respekt für dich sogar anders definieren. Es ist ein schwer zu greifender Begriff.
Welchen Sinn hätte es für ein Pferd Verhalten aus Anerkennung und Bewunderung zu zeigen? Anerkennung und Bewunderung stillen keine pferdischen Bedürfnisse. Also verhalten sich Pferde vielmehr bedürfnisorientiert.

Eine weitere Definition von Respekt trifft vielleicht eher den Kern dessen, was manche sich erhoffen? „Vor jemandem aufgrund seiner höheren, übergeordneten Stellung empfundene Scheu, die sich in dem Bemühen äußert, kein Missfallen zu erregen“
Klingt nur nicht nach einer guten Partnerschaft, oder?

Doch auch hier handelt das Pferd, weil es mal Konsequenzen für Verhalten erhalten hat und somit mit erneuten Konsequenzen rechnet. Nicht aus dem Gedanken, kein Missfallen erregen zu wollen.

Lass den Gedanken „mein Pferd muss mich respektieren“ weiterziehen. Erkläre deinem Pferd, was du möchtest. Dafür braucht es keine Gewalt und keine aversiven Methoden. Denn „Respekt“ ist ein abstraktes menschliches Konzept.

⁉️Und dann frag dich selbst: „Habe ich Respekt vor meinem Pferd? Respektiere ich die Bedürfnisse meines Pferdes?“⁉️

Berenike

Pferd-Mensch-Trainerin und Pferdeosteopathin aus Leidenschaft

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