Das „böse“ Futterlob?

von | Mai 11, 2023

Ein Thema, was die Gemüter erhitzt: Die Arbeit mit Futterlob.

Zunächst einmal muss natürlich niemand mit Futterlob arbeiten. Allerdings sollte man beachten, dass folgende Sätze in der Arbeit mit Pferden nicht die Wahrheit abbilden: „das Pferd macht das nur für mich“, „wenn man mit Futterlob arbeitet hat das keinen gesunderhaltenden Effekt“, „mit deinem Pferd kann man das vielleicht machen, mit meinem aber nicht“…

Wenn dein Pferd eine Lektion bzw. ein Verhalten nicht für das Leckerli macht, dann findet das Lernen in einem anderen Lernquadranten statt. Pferd lernt also wahrscheinlich über Druck und Drucknachlass und zeigt Lektionen und Verhalten, um dem Druck zu entgehen, nicht aus Liebe. „Futterlob ersetzt den Druck, der im klassischen Training der externe Motivator ist. Hilfe –> Pferd gibt nach –> Hilfe hört auf. Wenn man also sagt, das Pferd macht es nur für das Leckerli dann muss man zum klassischen Training sagen: Das Pferd macht es nur, um dem Druck zu weichen. Egal ob Druck oder Futterlob, beides sind extrinsische Motivatoren.“

Und natürlich ist es meine Entscheidung, welchen Weg ich wähle. Die Lerntheorie liegt erstmal jeder Reit-, Fahr- oder Arbeitsweise zugrunde.

Ein weiterer schwieriger Punkt ist, dass viele denken, positive Verstärkung heißt, ich mache was Nettes: Kraulen, Streicheln, Stimmlob, Pausen…
Diese Dinge haben erstmal nichts mit positiver Verstärkung zu tun. Wenn ich eine Pause als Lob ansehe, habe ich vorher vermutlich über negative Verstärkung gearbeitet. Ob Kraulen oder Streicheln ein primärer Verstärker sein können, hängt vom Pferd ab. Meistens allerdings nicht.

Wie, wo, was, wann ist eigentlich positive Verstärkung?

Positive Verstärkung ist ein Quadrant der operanten Konditionierung. Operante Konditionierung bezeichnet das Lernen über die Konsequenz einer Handlung. Das heißt: Pony zeigt ein Verhalten und dann folgt eine Konsequenz. Je nachdem ob (und wie) toll dein Pony diese Konsequenz findet, wird es das Verhalten häufiger oder seltener zeigen.

In dem Moment wo die Konsequenz folgt, kann man noch nicht mit Sicherheit sagen, ob das Verhalten ab jetzt öfter oder seltener gezeigt wird. Wenn dein Pony das Verhalten in Zukunft öfter zeigt, dann hast du es in der Vergangenheit verstärkt. Auf Englisch heißt es „Reinforcement“ und man verwendet daher den Buchstaben „R“ als Kürzel. Wenn dein Pony das Verhalten dagegen seltener zeigt, dann hast du es in der Vergangenheit bestraft. Auf Englisch: „Punishment“ und daher der Buchstabe „P“ als Kürzel.

Wird eine Konsequenz hinzugefügt, dann wird das mit dem mathematischen Vorzeichen (+) gekennzeichnet. Eine Konsequenz ist daher „positiv“, wenn etwas hinzugefügt wird.
Wird dagegen etwas entfernt, dann wird ein (-) verwendet. Eine Konsequenz ist dann „negativ“, wenn etwas weg genommen/ weniger wird.

Daher kommen die Bezeichnungen: +P, -P, +R, -R

Positive Bestrafung: Verhalten wird seltener gezeigt, weil in der Vergangenheit als Konsequenz etwas unangenehmes hinzugefügt wurde.

Negative Bestrafung: Verhalten wird seltener gezeigt, weil in der Vergangenheit als Konsequenz etwas angenehmes entfernt wurde.

Positive Verstärkung: Verhalten wird häufiger gezeigt, weil in der Vergangenheit als Konsequenz etwas angenehmes hinzugefügt wurde.

Negative Verstärkung: Verhalten wird häufiger, weil in der Vergangenheit als Konsequenz etwas unangenehmes entfernt wurde.

Warum positive Verstärkung nutzen?

Ich finde es hat zuallererst etwas mit Ethik zu tun. Damit WIE ich mit meinem Pferd umgehen und trainieren möchte. Damit welche Emotionen ich im Umgang und im Training hervorrufen möchte bzw. welche Emotionen ich verantworten kann.

Lernen unter Angst/Stress oder nur für Erleichterung möchte ich nicht für meine Ponys. Ich würde so ja auch nicht lernen wollen.

Dazu kommt, dass die Arbeit mit positiver Verstärkung noch mehr Gutes mit sich bringt:
– schnellerer, nachhaltigerer Lernerfolg
– FREUDE beim Pferd
– FREUDE bei Trainer:in
– Positive Grundstimmung
– Motivation
– Bindungsaufbau/-Förderung
– Kontrollierte Reha möglich (kein zwingen über Schmerzgrenze)
– Ponys werden kreativer
– neue Kommunikationsmöglichkeit

Berenike

Pferd-Mensch-Trainerin und Pferdeosteopathin aus Leidenschaft

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